Friday, February 25, 2011

Wie ich dazu kam.


   Ich habe über Ein Kurs In Wundern zuerst in einem kleinen Buch von Gerald Jampolsky gelesen. Es war dann zu Beginn des Jahres 2001, als ich die überraschend dicke Gesamtausgabe in meiner geliebten Esoterikecke in den Arkaden der Schönhauser Allee in Berlin entdeckte und sie sofort kaufte. Ich hatte zuvor schon Berge von spiritueller Literatur konsumiert. Jedes Mal hatten mich die Verheißungen des jeweiligen Buches begeistert. Aber dann hatte ich das nächste Buch gekauft und mich aufs Neue von einer anderen Facette spiritueller Versprechungen inspirieren lassen. Daher war es mir ein leichtes, auch das Lehrbuch von Ein Kurs In Wundern in einem Ritt durchzulesen. Währenddessen fing ich an, die Lektionen zu üben, die mein Bewusstsein in kleinen Schritten in eine noch unbekannte Richtung führten.
  Der Kurs kam gerade zum rechten Zeitpunkt in mein Leben, denn ich befand mich in einem dunklen Loch. Ich war nachdem meine langjährige Beziehung zerbrochen war, nach Berlin gezogen. Arbeit hatte ich nicht gefunden. So schlenderte ich am Tage durch die Straßen und Parks oder vertrödelte sie lesend in meiner Wohnung an der Bornholmer Straße und verbrachte die Abende in den vielen spirituellen Gruppen Berlins, mit Sambatrommeln, Trommeln für Mutter Erde, Friedenstänzen, Sufi-Treffen, Schwitzhütten, Meditationssitzungen und Gesprächen in der evangelischen Gemeinde. Mit Hilfe dieser Gruppen baute ich mir schnell ein Netzwerk von Freunden in der Stadt auf, meine tiefe Trauer über meine verlorene Liebe und meine innere Verlorenheit konnte ich jedoch noch nicht überwinden. Meine eigene spirituelle Heimat hatte ich Jahre zuvor in einem persischen Sufi-Orden (Gemeinschaft islamisch-persischer Mystiker) gefunden, dessen örtlicher Lehrer in Köln ansässig war. Aber auch dieses Orientierungspunkt verschwand um diese Zeit aus meinem Leben, als es im Orden zu einer Abspaltung kam.
  Was ich gleich am Kurs In Wundern mochte, war seine christliche Sprache. Ich hatte immer an meinem christlichen Glauben festgehalten. Ich war in der DDR aufgewachsen und die Junge Gemeinde, die christliche Jugendgruppe, war Teil meiner Jugend gewesen. In der evangelischen Kirche, dem Sammelbecken der bürgerlichen Opposition, hatten wir einen naiven Idealismus gepflegt. Wir hatten heiße Debatten über alternative Formen es Sozialismus und frühchristliche Utopien geführt. Dabei hatten wir im Sozialismus in einer geschützten Atmosphäre gelebt, in der Geld wenig, Beziehung aber alles bedeuteten, in der alles seine geordneten Bahnen ging und dem Einzigen nicht viel Freiraum für eigene Lebensentwürfe zugestanden wurde, außer der Rückzug in die Privatsphäre. In den Herbsttagen des Jahres 1989 mündete dieser Utopismus in eine Revolution von weltpolitischer Bedeutung. Diese Revolution führte aber zu keiner neuen Utopie, da die Menschen nach zwölf Jahren Nazidiktatur und fünfundvierzig Jahren kommunistischer Herrschaft genug von ideologischen Experimenten hatten. Freiheit bestand jetzt vor in der Nutzung der neuen Möglichkeiten des Reisens und Kaufens, die der Westen bot. Die spirituelle Revolution, die wir an einigen Nächten, Kerzen haltend, betend, singend und protestierend, in den bisher so trostlosen Straßen ostdeutscher Städte gespürt hatten, löste sich innerhalb einiger Wochen des Jahres 1990 in Luft auf. Wobei ich der letzte war, der die neu errungene Reise- und Denkfreiheit nicht zu schätzen gewusst hätte. Gerade meine spiritueller Bücherkonsum war dieser Wende zu verdanken. Ich wusste aber auch, dass die westliche Zivilisation das eigentliche Problem des Menschen ausgeblendet hatte und mit Konsum zuzudecken versuchte. Im Sozialismus war die Erlösung noch auf die Zukunft projiziert worden, im Westen sprach keiner mehr in der Öffentlichkeit über sie.
  Daher fühlte ich mich in der Gedankenwelt des Kurses gleich wohl, obwohl ich noch nicht viel davon verstand. Im Sommer 2001 hatte ich das seltsame Gefühl, dass sich mein Leben im Herbst dramatisch verändern würde. Ich versuchte mich in der Zwischenzeit noch im Lehmbau, half beim Dachdecken alter Gebäude und Burgen, betete mit evangelischen Mönchen und nahm an spirituellen Treffen und alternativen Projekten teil. Ich fing eine Ausbildung in Gestalttherapie und Familienaufstellung an, aber die eigentlich Veränderung sollte nicht von mir ausgehen. Am Nachmittag des 11. September rief ich eine alte Freundin an, die mich nur aufforderte den Fernseher anzustellen.  Als ich die Türme des World Trade Centers zusammenfallen sah, versetzte mich das in einen Zustand der Verwirrung und höchster Alarmbereitschaft.  In den Straßen Berlin liefen die Leute herum, wie ein Haufen aufgescheuchter Hühner. Angst und Konfusion war überall zu spüren. Etwas in der Welt schien zerbrochen. Ich fuhr nach Hause und ging am nächsten Tag in den Wäldern Mecklenburgs mit meinen Eltern und meiner Schwester Pilze suchen, als wollten wir uns der einzigen Sache versichern, die in diesen Tagen des Chaos noch sicher war, und das schien die Vergangenheit und unserer Liebe zueinander zu sein.
   Als ich einen Tag später wieder in Berlin war, ging ich zu meinem ersten Treffen mit Leuten, die auch den Kurs praktizierten. Ich war an keiner trockenen Leserunde interessiert. Ich wollte Leute finden, die die Erfahrung von Gottes Licht und Liebe zuließen, so wie ich es bei den Sufis erlebt hatte. Und da waren sie: Leute die eine unmittelbare Lichterfahrung hatten. Dieses Treffen änderte mein Leben. Ich war zum ersten Mal auf etwas Wirkliches gestoßen. Sie waren die Anhänger eines alten Mannes in Amerika, den sie Master Teacher nannten. Er sollte in den folgenden sieben Jahren mein Lehrer in Ein Kurs In Wundern werden. Dieser kleine dicke Mann, mit bürgerlichem Namen Charles Buell Anderson, hatte nichts mit den spirituellen Meistern gemein, von denen ich gehört oder gelesen hatte. Er war überhaupt keine spirituelle Person, er war ein Anti-Meister. Aber sein Geist war vollkommen frei von der Welt, er befand sich in ständiger Kommunikation mit dem ganzen Universum. Dies war in seiner Gegenwart spürbar, sie fühlte sich wie die Leiter Jakobs an, wo die Engel auf und nieder steigen und das Himmelstor weit offen steht. Die Energie änderte sich, wenn er den Raum betrat. Wenn er einen anblickte, merkte man es sofort, wenn man nicht gerade schlief. Er war nicht in besonderer Weise freundlich oder mitfühlend. Er besaß keine Toleranz für den menschlichen Zustand, der aus seiner Sicht auf purer Ignoranz beruhte. Und dennoch kam er nur aus reiner Liebe jeden Tag in den Session-Raum, um den Kurs zu lehren. Er ersparte vielen von uns sehr viel Zeit, indem er uns half, den Versprechen des Kurses wirklich zu vertrauen und an Wunder zu glauben, denn er war ein Wunder. Da er für die Geschichte von Ein Kurs In Wundern von Bedeutung ist, sei hier kurz auf seine Geschichte eingegangen.
   Unter falscher Altersangabe war „Chucky“ Anderson als Sechzehnjähriger kurz nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor 1941 in die U.S.-Marine eingetreten. Er hatte in den folgenden Jahren den Inselkrieg im Südpazifik mitgemacht. In Okinawa fiel sein bester Freund an seiner Seite durch friendly fire,(durch fehlgeleiteten Beschuss der eigenen Truppen), für ihn der erste tiefgreifende Beweis für die Ungerechtigkeit der Welt. Nachdem Sieg der Amerikaner wurde er nach schwerer Verwundung und Genesung den Besatzungstruppen für Nagasaki zugeteilt. Er konnte nicht glauben was er da zwei Wochen nach dem Atombombenabwurf sah. Das Maß an Zerstörung überstieg seine Vorstellungskraft. Er ging in die Hospitäler und sah die von Brandverletzungen gezeichneten Kinder. Er hatte keinen Zweifel an der militärischen Folgerichtigkeit der Entscheidung der Generäle, den japanischen Widerstand mit Hilfe der Bombe zu brechen. Gerade weil der pazifistische Lösungsversuch für ihn nicht in Frage kam, konnte er die Unmöglichkeit und das Dilemma der menschlichen Situation sehen. Dieser Alptraum ließ sich nicht mit dem menschlichen Verstand lösen. Er fiel in eine tiefe Depression und wanderte wie im Schock durch die angrenzenden Hügel. Dabei traf er einen ehemaligen Soldaten der kaiserlichen japanischen Armee. In ihrer Verzweiflung fanden diese Männer zueinander. Der Japaner lud Charles zu einer Teezeremonie in ein Haus von Freunden ein. In dieser Runde wurden Trauer, Liebe, Vergebung und Verbundenheit miteinander geteilt. Hierin schöpfte Charles wieder etwas Hoffnung, er wusste aber noch nicht worauf. In den nächsten Jahrzehnten war Charles ein erfolgreicher Geschäftsmann in Kalifornien und Wisconsin wobei der Alkohol sein ständiger Freund und Begleiter war.  Mitte der siebziger Jahre endete er mit einer Leberzirrhose auf der Sterbestation des Hospitals.
Was bis hierhin die Biographie eines normalen Mannes gewesen war, wird nun zu einer Geschichte des Wunderbaren, die von jenen, die Charles nicht gekannt haben, als bloßer Mythos abgetan werden kann. Erzählt werden sollte die Geschichte aber vielleicht doch, um aufzuzeigen, welchen Sinn Wunder im Kontext dieses Kurses eigentlich haben.  Als Charles sich auf seinen Tod vorbereitete, nachdem er sich „freudig zu Tode gesoffen hatte“ wie er es später ausdrückte, erschien ihm Jesus und fragte ihn, ob er noch eine zweite Chance haben wollte. Charles überlegte kurz und sagte dann „ja“. Am nächsten Tag verließ er das Hospital mit einer geheilten Leber. Der Arzt wusste nicht, was er davon halten sollte. Charles widmete sich in den nächsten Jahren als Coach und Sponsor der Arbeit der Anonymen Alkoholiker. Seine innere Stimme befahl ihm mit dem Rauchen und dem Fleischverzehr aufzuhören. Er folgte solchen Anweisungen immer sofort.
  Ein paar Jahre später bekam er höllische Kopfschmerzen. Er ließ die Ambulanz kommen und schlug noch während der Fahrt ins Krankenhaus vor Schmerz mit dem Kopf gegen die Wand. Die ärztliche Untersuchung ergab keine Anomalien. Da sagte die Stimme zu ihm: „Du bist in einem Prozess, du wachst auf.“ Er antwortete „Danke, dass ihr mir das mitteilt.“ In der Nacht stürzte die ganze Welt auf ihn ein und er versuchte sich unter dem Teppich zu verstecken. Seine sechsjährige Tochter fand ihn so, und war entsetzt, aber da war noch eine andere Gestalt im Raum, die sagte: „Habe keine Angst. Komm morgen wieder, dann wird alles gut sein mit deinem Vater.“ Am Morgen war ihm die entgültige Erleuchtung zu Teil geworden und er fing an zu lehren, dass es keine Welt gibt. Er verließ seine Familie und zog sich in die Einsamkeit zurück immer darauf wartend, dass eines Tages Schüler an seine Tür klopfen würden. Die kamen auch nach und nach. Eines Tages wurde ihm ein Exemplar von Ein Kurs In Wundern ausgehändigt. Nachdem er es durchgesehen hatte, sagte er zu seinen Schülern: „Wenn ihr dieses Buch habt, braucht ihr mich nicht mehr!“ Er wurde aber gebeten, den Kurs zu lehren, da keiner ihn verstand. Das hat er für den Rest seines Lebens bis 2008 getan.
   Der Kurs hat meine Art zu denken verändert. Er hat mich von der inneren Lehre, der Trennung, der Angst und dem Hass befreit. Noch immer habe ich negative Gedanken und Gefühle, aber sie sind meist im Hintergrund eines stillen, friedlichen und lichtvollen Gewahrseins. Ich lebe in der Gewissheit geliebt und verbunden zu sein und niemals mehr verloren gehen zu können. Dafür sei dem Autoren des Kurses, seiner Empfängerin Helen Schucmen, ihrem Gefährten William Thetforth, den Herausgebern, meiner Familie, meinen Freunden und meinem Lehrer für immer Dank!




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